4.2
Kommentar
4.2 für Harfe und Klavier entstand 2013/14 und ist Teil eines vierteiligen Zyklus, dessen Gestalt sich in Besetzung, Dauer und Klang immer weiter ausdehnen soll. Die vier Stücke sollen dann nacheinander oder aber simultan gespielt werden können, aber auch als eigenständiges Stück funktionieren.
Die Harfe ist fast vollständig um einen Viertelton höher gestimmt als das Klavier. Nur ein Ton deckt sich mit der Stimmung des Klaviers. Daraus ergeben sich reizvolle Schwebungsmöglichkeiten: die beiden Instrumente schweben in ihrem Zusammenklang, ebenso hat die Harfe die Möglichkeit, in sich Schwebungen zu erzeugen.
Das Stück ist grob dreiteilig angelegt, wobei sich im ersten Teil zahlreiche kleine, zyklisch angelegte Formteile addieren. Zunächst ergibt sich ein zartes, punktuelles Geflecht von Einzeltönen der beiden Instrumente. Schwebungen ergeben sich fast zufällig, sie sind ebenso wie die klangliche Verschmelzung der beiden Instrumente nur latent vorhanden, bilden noch ein hintergründiges Geschehen. Die vielen abgestoppten Pizzicati und Staccati ersticken den Ausklang der beiden Klangkörper; das Klavier spielt fast durchgehend ohne rechtes Pedal. Der Schluss jedes kleinen zyklischen Formteiles wird durch einen schlichten Ausklang im Klavier markiert, der bis ins Nichts verklingt.
Die Periodizität der zuvor mehr zufällig vorhandenen, latenten Schwebungen wird im zweiten Teil als Rhythmusstruktur auskomponiert: Die Harfe etabliert (durch mit Holzstäben präparierte tiefe Saiten) eine geräuschhafte, unregelmäßige Periodizität (gewissermaßen die Rhythmusstruktur einer Schwebung in Zeitlupe), während das Klavier streng in der punktuellen, trockenen Sphäre des Beginns verbleibt: die Instrumente entwickeln sich klanglich und inhaltlich mehr und mehr auseinander und laufen quasi in zwei Schichten nebeneinander her.
Im letzten Teil dagegen verschmelzen Harfe und Klavier schließlich zu einer Art sanften (dissonant gestimmten) Riesenharfe: mit erstmals kontinuierlich verwendetem rechten Pedal im Klavier, Flageolett-Klängen bei beiden Instrumenten und vollständig ausklingenden, langsamen Arpeggien in freiem Zeitmaß entfalten sich die Schwebungen zum bestimmenden Gestaltungselement von Klang, Dauer und Artikulation. Der Schlussmoment schließlich bildet die Umkehrung der Schlussmarkierungen des ersten Teils: Während dort ein trockener, punktueller Satz in einen plötzlichen Nachklang aufgelöst wurde, werden nun die sanften Ausklänge durch plötzliches Zurückschnappen des rechten Pedals im Klavier abrupt abgebrochen.
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Aufführungen
UA 17.01.2015, Dresden // Hochschule für Musik // Anna Berwanger (Harfe), Richard Röbel (Klavier)
24.10.2015, Leipzig // Stadtbibliothek // Preisträgerkonzert Sächsischer Musikbund // Anna Berwanger & Richard Röbel